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Welche Konsequenzen hat die Sperrung der Talbrücke Rahmede auf der A45 bei Lüdenscheid für Spediteure?

A45 Talbrücke Rahmede
Die A45 Talbrücke Rahmede bei Lüdenscheid Fotoquelle: Autobahn Westfalen

Die A45 Talbrücke Rahmede bei Lüdenscheid

Fotoquelle: Autobahn Westfalen

Die Talbrücke Rahmede und mit ihr die A45 zwischen Lüdenscheid-Nord und Lüdenscheid bleiben für den gesamten Verkehr dauerhaft gesperrt. Der Verkehr wird nun jahrelang über die Umleitungsstrecken U16/U39 geleitet.
Die Autobahn GmbH bekannt gegeben, dass an gleicher Stelle ein Ersatzneubau entstehen soll. Als Zielmarke für die Freigabe der A45 durch die neue Brücke sind fünf Jahre angesetzt.

Was bedeutet diese Sperrung nun für die zahlreichen Speditionen? Immerhin ist die Region Südwestfalen einer der wichtigsten Industriestandorte Deutschlands und die mit dem Neubau verbundene Vollsperrung der A45 ein untragbarer Zustand.

Wir haben einige unserer Mitglieder, welche entlang der A45 ihren Standort haben gefragt, welche Folgen Sie durch sie Sperrung erwarten und auch schon spüren. Die Auswirkungen auf das Tagesgeschäft machen sind schon deutlich bemerkbar.

„Auf den ersten Blick ist die Auswirkung kaum sichtbar gewesen, bei tieferem Blick in die Materie wurde aber schnell klar, dass ein Großteil unserer Flotte nun wesentlich länger für einzelne Touren braucht, und somit auch weniger Touren pro Woche absolviert“, so David Stein, Assistent der Geschäftsführung von Leopold Schäfer GmbH in Neunkirchen. Gerade im ausgeweiteten Nahverkehr zwischen dem Firmenstandort bis Hagen/Dortmund/Münster, braucht Schäfer je Tour mindestens 50% länger. Schuld daran sei der permanente Stau auf den Ausweichstrecken, das hohe Verkehrsaufkommen in und um Lüdenscheid, Altena und Nachrodt, ergänzt Thomas Becker, geschäftsführender Gesellschafter, HAAF STS Logistik GmbH, Werdohl.  

Ein Problem, welches auch Karsten Blankenagel, Geschäftsführer, Spedition Hermesmann GmbH, Iserlohn und Christoph Dahlmann, Geschäftsführer, A.L.S. Allgemeine Land- und Seespedition GmbH, Arnsberg, bei Strecken die direkt über den Brennpunkt Lüdenscheid führen merken. Bis zu drei Stunden mehr Aufwand müssen in die Kalkulation der Fahrten einfließen und das jeden Tag. „Leere LKWs aus dem Ruhrgebiet meiden die Fahrt über die A45, somit steht unseren Kunden weniger Laderaum zur Verfügung, EK-Preise steigen“, sagt Becker. Die Disponenten von A.L.S. planen zum Beispiel alternative Touren nördlich und südlich von Lüdenscheid, was aber häufig zu Lasten der optimalen Rentabilität der Touren führt.  

Es kommt ebenfalls zu Totalausfällen oder auch Einbrüchen von bestimmten Touren und Produkten, sagt Stein. „Einige Milkrun-Konstrukte, die wir in diesem Bereich laufen haben, sind beinahe vollständig eingebrochen und nicht mehr wirtschaftlich. Sammelgut Begegnungsverkehre müssen neu überdacht und im Netzwerk neustrukturiert werden.“

Durch diese Problematik ist es auch schwieriger geworden, die Lieferzeiten einzuhalten.
Becker sagt zum Beispiel, dass Nahverkehrsauslieferungen zeitlich nicht planbar sind; Lade - Zeitfenster im Fernverkehr nicht eingehalten werden können. Noch gravierender ist dieses Problem bei Spedition Hermesmann. „Bei einer derzeit bestehenden, begrenzten Transportkapazität können wir die Lieferzeiten mit unserem eigenen Frachtraum nicht mehr einhalten. Derzeit kaufen wir Frachtraum dazu – jedoch wird sich auch hier bald eine natürliche Grenze bilden. Das „Notstraßennetzt“ über die Bundesstraßen kann bald physisch keine weiteren LKW aufnehmen“, sagt Blankenagel.

Bei A.L.S. werden Christoph Dahlmann aber bei den Be- und Entladezeiten auch Zeitfenster eingeräumt. Möglich ist das durch eine enge Absprache mit Kunden, Entladestellen oder „fremden Abholadressen", denn die Baustellenproblematik ist in der Region bestens bekannt und viele Unternehmen und deren Mitarbeiter sind oft auch persönlich betroffen.

Mit dem beschriebenen Zeitverlust steigen auch die Kosten für die Speditionen.
In der Praxis bedeutet das zwischen 10-30% Mehrkosten pro Tag, sagen Christoph Dahlmann und Karsten Blankenagel. In den tangierenden Bereichen der Kurz-/Mittelstrecke, LTL / FTL sind es laut David Stein sogar 30 - 40 %.

Die erheblichen Mehrkosten bleiben an den Speditionen hängen und müssen natürlich irgendwie wieder aufgefangen werden.
Die Unternehmen versuchen daher den Verlust bei den Touren in der Region, durch individuelle Tourenplanung oder neu erarbeitete Versorgungskonzepte, möglichst gering zu halten. Trotzdem wird es zu Preiserhöhungen kommen, so Thomas Becker von HAAF STS. Wo es in Absprache mit dem Kunden möglich ist, ist dies bereits sogar schon eingetreten.

Glücklich ist damit niemand, denn auch die Kunden können die ansteigenden Kosten wirtschaftlich nicht auf Dauer tragen. Hier ist also auch die Politik gefragt, welche schnellstmöglich Konzepte erarbeiten muss, um die Unternehmen in den kommenden Jahren des geplanten Neubaus zu entlasten und auch um eine Existenzbedrohung bei Unternehmen und Kunden zu vermeiden.

Alle ansässigen Spediteure sind sich in dem Punkt einig, dass das Planungsverfahren unbedingt beschleunigt werden muss, um den Brückenneubau in kürzester Zeit zu realisieren. Hier können zum Beispiel Ausschreibungszeiten für geeignete Firmen reduziert werden, welche den Bau realisieren, um mit dem Projekt „Rahmede“ nicht im Ausschreibungssumpf zu versinken. Der Bereich rund um die A45 ist ein wichtiger Industriestandort für ganz Deutschland, hier muss schnell, präzise und transparent gehandelt werden, sagt David Stein von Leopold Schäfer. Auch die mögliche Aussetzung der Mautgebühr in irgendeiner Form bedeute bereits eine Entlastung für die Speditionen, so Dahlmann. Aus Sicht von Blankenagel müsste der Neubau sogar über einen Notfallparagraphen erfolgen, der eine besonders schnelle Umsetzung ermöglichen könnte.

Umleitungstrecken sind bei dem Problem „Rahmede“ keine dauerhaft zufriedenstellende Alternative laut Dahlmann: „Die vorhanden Umleitungsstrecken sind aufgrund der bisher schon hohen Verkehrsbelastung und der typischen Sauerländer Topographie nur schwer zu optimieren. Großräumige Umleitungsempfehlungen für den Fernverkehr werden bereits umgesetzt, sind aber auch Kostentreiber, da hier zum Teil Umwege von mehr als 50-80 KM gefahren werden müssen.“ Eine Alternative für Speditionen aus Ost-Westfalen wäre die Route über Brilon/Winterberg, fügt Dahlmann noch hinzu.

Wäre die Einrichtung einer rollenden Landstraße eine andere Möglichkeit? Immerhin bietet das Sauerland-Netz eine gute Bahnanbindung an die wichtigsten Knotenpunkte der Region.
Blankenagel dazu: „Es könnten LKWs mit Flachwagen transportiert werden.
Diese Waggons könnten dann von der Bahn bis nach „hinter“ Lüdenscheid/ Siegen gefahren werden – dort würden dann die LKW wieder von den Flachwagen fahren und die Sendungen an den Kunden zustellen.“ David Stein hat dazu ebenfalls eine Meinung: „Die Bahn kann in diesem Fall eine Alternative sein, ist aber nicht das Allheilmittel für solche Probleme, wie oft argumentiert wird. Daher sollte hier nicht einfach zu viel von der Politik investiert werden, ohne vorab das Gespräch mit den Mittelstands-Spediteuren und Frachtführern, aber auch Verladern gesucht zu haben.“

Ein weiteres Problem der Verzögerung des Neubaus könnte aber auch durch den Umweltverband entstehen. Dieser besteht nämlich auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für den Ersatzneubau der Talbrücke Rahmede. Lüdenscheids Bürgermeister Sebastian Wagemeyer bittet den BUND aktuell zum Dialog. Laut dem lokalen Nachrichtenmagazin come-on.de, fordert Wagemeyer den Neubau „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu beschleunigen“. Dazu könne auch der Verzicht auf eine UVP gehören. Wagemeyer erinnerte an die immense Belastung für die Straßen im Stadtgebiet und deutlich mehr Lärm und Luftverschmutzung.

Über den Tellerrand hinaus geschaut ist die Talbrücke Rahmede nur die Spitze des Eisbergs und nicht der einzige Fall. Sie zeigt ein Problem auf, das viele Brücken in ganz Deutschland betrifft.
Karsten Blankenagel und Thomas Becker sehen daher einen schnellen und auch weitreichenderen Handlungsbedarf. Es müssten alle Brücken auf den Bundesstraßen überprüft und ggf. verstärkt werden. Auch viele andere Autobahnbrücken in der Region und generell in Deutschland sind marode oder haben durch eine einspurige Fahrbahn bereits die 4-fache Belastung.

Befragte:
Karsten Blankenagel, Geschäftsführer, Spedition Hermesmann GmbH, Iserlohn
Thomas Becker, geschäftsführender Gesellschafter, HAAF STS Logistik GmbH, Werdohl
David Stein, Assistent der Geschäftsführung, Leopold Schäfer GmbH, Neunkirchen
Christoph Dahlmann, Geschäftsführer, A.L.S. Allgemeine Land- und Seespedition GmbH, Arnsberg

 

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